Die Rückkehr von Patty und dem Professor
Leute,
ich unterrichte einen Kurs am Dartmouth College über Fertigungsprozesse: ENGM 185. In diesem Kurs verwende ich viele Kapitel aus dem Buch “The Adventures of Patty and the Professor” (Die Abenteuer von Patty und dem Professor). Dieses Buch begann als eine Reihe von Beiträgen im Rahmen dieses Blogs, die schließlich zu einem Buch zusammengefasst wurden. Es ist kaum zu glauben, dass der erste Blogbeitrag jetzt schon 10 Jahre her ist.
Die Mehrheit der Studenten, die das Buch „The Adventures of Patty and the Professor“ gelesen haben, glauben wahrscheinlich, dass die im Buch beschriebenen Fälle übertrieben sind, obwohl ich immer wieder darauf hinweise, dass ich sie so nahe wie möglich an tatsächliche Gegebenheiten angelehnt habe. Einer meiner Studenten, Amritansh (Amro) Varshney, hatte vor Kurzem Gelegenheit, etwas von der Wirklichkeit der Fertigung kennenzulernen. Nachdem Amro wieder in Dartmouth war, sprachen wir über seine Erfahrungen und er teilte mir mit, dass die Geschichten nicht nur wirklich abbilden, wie schlecht einige Fertigungsprozesse betrieben werden, sondern dass die Realität in einigen Fällen sogar viel schlimmer ist!
Angesichts dieser Offenbarung habe ich beschlossen, einige der ursprünglichen Episoden aus dem Buch für eine neue Generation von Lesern erneut zu posten. Vergessen Sie beim Lesen der Erlebnisse von Patty und dem Professor nicht, dass sie auf wahren Begebenheiten beruhen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei den „Abenteuern“!
Die Geschäfte liefen gut bei ACME. Selbst in diesen schwierigen Zeiten konnten die drei Fertigungslinien des Unternehmens nicht mit der Nachfrage Schritt halten. John, der Leiter der Fertigungslinien, entschied daher, die Finanzierung einer zusätzlichen Fertigungslinie zu beantragen. Ein Mitglied seines Teams, Patty, schlug jedoch vor, eventuell „den Professor“ zu konsultieren, bevor eine neue Linie bestellt wurde. Der Professor hatte einen Kurs über Linienaustaktung gegeben, an dem Patty im letzten Sommer während der SMTAI-Konferenz teilgenommen hatte. Die Linienaustaktung ist ein wichtiger Schritt bei der Optimierung der Produktivität in der Elektronikfertigung. Eine getaktete Linie stellt sicher, dass der Bestückungsprozess (normalerweise der Engpass) so schnell wie möglich durchgeführt wird, indem gewährleistet wird, dass jede Bestückungsmaschine dieselbe Zeit damit verbringt, Komponenten zu platzieren. Falls irgendeine Maschine auf andere Maschinen warten muss, wird Montagezeit verschwendet. In gewissem Sinn ist die Linienaustaktung eine Anwendung von Goldratts Engpasstheorie. John erinnerte sich daran, dass Patty bei Anwendung ihrer vom Professor gewonnenen Erkenntnisse den Durchsatz um 25 % erhöht hatte. Leider hatte Patty nicht an dem anderen Kurs des Professors namens „Erhöhung der Linienverfügbarkeit“ teilgenommen.
John beschloss, mit Patty über den Professor zu sprechen. „Patty, warum sollte ich deiner Meinung nach mit dem Professor über die neue Fertigungslinie sprechen?“ „Nun, John, vielleicht benötigen wir gar keine neue Linie mehr, wenn versuchen, die Verfügbarkeit der bestehenden Linien zu verbessern“, erklärte Patty. „Patty, das ist eine gute Idee“, meinte John.
Patty kontaktierte den Professor und er sagte zu, Zeit für ACME in seinem vollen Terminkalender einzuplanen. Bei seiner Ankunft wurde der Professor durch das Werk geführt. Während der Tour wurde ihm auch der Prozess gezeigt, mit dem ACME die Umrüstzeit zwischen Arbeitsaufträgen minimiert. Der Professor schien beeindruckt zu sein. Nach der Tour bat der Professor um eine kurze Besprechung mit den Ingenieuren und Managern, um die Lage zu besprechen.
„Wie hoch ist die durchschnittliche Verfügbarkeit?“, fragte der Professor die versammelte Menge. Nach einigen Räuspern antwortete schließlich Pete, der leitende Prozessingenieur: „Ich würde sagen mindestens 95 %, wir reißen uns hier Arme und Beine aus.“ Von den 9 oder 10 Personen im Raum war ein zustimmendes Raunen zu hören. Schließlich meldete sich John: „Professor, wie definieren Sie die Verfügbarkeit?“ „Ganz einfach der Prozentsatz der Zeit, während der eine Fertigungslinie läuft“, lautete die Antwort des Professors. Pete antwortet erneut, 95 % sei die korrekte Zahl.
Der Professor bat um einige Produktionskennzahlen und führte einige Berechnungen auf seinem Laptop aus. Nach kurzer Zeit bemerkte er: „Anhand der mir vorgelegten Daten beläuft sich Ihre durchschnittliche Linienverfügbarkeit schätzungsweise auf ca. 10 %.“ Als Pete dies hörte, lief er im Gesicht rot an, insbesondere, als Patty in sein Ohr flüsterte: „Ich habe es dir ja gesagt.“ Der Lärm im Raum stieg derart an, dass John befürchtete, kurz vor einem Aufruhr zu stehen. Der Professor bat um das Wort und John sorgte mit donnernder Stimme für Ruhe.
„Bitte keine Panik, vielleicht habe ich mich ja bei meinen Berechnungen geirrt. Warum messen wir nicht einfach die Verfügbarkeit während einiger Wochen, um sicherzugehen?“ „Wie machen wir das?“, fragte Pete, immer noch rot im Gesicht. „Jeden Tag besucht ein Prozessingenieur alle 30 Minuten die Fertigungslinie. Wenn die Linie läuft, trägt er eine 1 in das Feld einer Excel®-Tabelle ein. Im gegenteiligen Fall eine 0“, gab der Professor zurück. Diesem Vorschlag wurde zugestimmt und ein weiterer Besuch des Professors in zwei Wochen vereinbart.
Wird Petes rotes Gesicht wieder eine normale Farbe annehmen? Wird die Verfügbarkeit tatsächlich 95 % betragen? Werden Patty und Pete jemals wieder miteinander reden? Verpassen Sie keinesfalls unsere nächste Folge am 27. Mai.
Danke,
Dr. Ron
* Der Professor, wie er liebevoll von seinen vielen Studenten genannt wird, ist ein freundlicher älterer Herr, der an einer berühmten Universität lehrt. Nur wenige kennen seinen wirklichen Namen. Der Professor ist ein Experte auf dem Gebiet Prozessoptimierung.
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