Das Einmaleins des Lötens: simples Löten – komplexe Lotpaste
Leute,
beim Löten von Kupfer an Kupfer mit einem zinnbasierten Lot wie eutektisches Zinn-Blei-Lot oder einem üblichen bleifreien Lot wie SAC305 müssen das flüssige Lot und Kupfer lediglich eine metallische Zinn-Kupfer-Verbindung eingehen. Diese Einfachheit, die nur einen kleinen Haken aufweist, wurde mir von einigen Kollegen von Speedline Technologies vor Augen geführt. Sie ließen eine PWB mit montierten Durchsteckkomponenten durch eine Wellenlötanlage laufen, ohne ein Flussmittel zu verwenden. Das Ergebnis war zum Lachen. Die PWB wog ca. 5 kg, da sich riesige Eiszapfen aus Lot daran gehängt hatten. Dieses Chaos wurde von Oxiden verursacht, die sich auf Basis des Kupfers bilden. Ein erneuter Durchlauf mit einer Stickstoffatmosphäre erzeugte eine wunderbar wellengelötete versandbereite Leiterplatte. Für ein erfolgreiches Wellenlöten benötigt man also entweder ein Flussmittel oder Stickstoff, vorzugsweise beides, neben dem Lot und Kupfer. Das Verfahren ist jedoch immer noch relativ einfach.
Die Lottechniker der späten 1970er- und frühen 1980er-Jahre waren trotzdem zu bedauern. SMT war eine neue Technik und die Welt wollte Lotpaste kaufen. Viele Lottechniker verfügten jedoch nur über Erfahrungen mit dem Wellenlöten. Beim Wellenlöten besteht die Hauptfunktion des Flussmittels darin, die Oxide aus den PWB-Pads und Komponenten zu entfernen. Das Lot ist in geschmolzenem Zustand und dessen Oxidation daher kaum von Bedeutung. Beim Löten berührt das Lot die Leiterplatte nur für einige Sekunden, sodass die Leiterplatte nur während dieses kurzen Zeitraums hohen Temperaturen ausgesetzt ist.
Wahrscheinlich bestanden einige frühe Lotpasten aus Lotpulver mit Flussmitteln ähnlich den beim Wellenlöten verwendeten. In diesem Fall waren die Resultate wohl nicht sehr zufriedenstellend. Denken Sie an die dramatischen Unterschiede, denen Lotpaste im Vergleich zu Lot beim Wellenlöten ausgesetzt ist. Das „Flussmittel“ in Lotpaste muss die Oxide aus den PWB-Pads, Komponentenleitern und Lotpartikeln entfernen und gleichzeitig all diese Oberflächen für mehrere Minuten im Reflow-Ofen vor einer Reoxidation schützen. Um diese Schutzwirkung zu erreichen, benötigt das Flussmittel Materialien, die als Sauerstoffbarriere dienen. Die häufigsten Materialien, die in No-Clean-Lotpasten eingesetzt werden, sind Kolophonium/Harze. Kolophonium, oder Harze, bei denen es sich um modifiziertes oder synthetisches Kolophonium handelt, weist in der Regel organische Verbindungen von 80-90 % Abietinsäure mit einem mittleren bis hohen Molekulargewicht auf. Es wird normalerweise in Nadelbäumen angetroffen. Kolophonium/Harze sind von Natur aus klebrig und bieten während des Reflow-Vorgangs eine gewisse Flux-Aktivität und Oxidationsfestigkeit.
Ich habe im oberen Abschnitt „Flussmittel“ geschrieben, da das, was die meisten Leute in der Lotpaste als Flussmittel bezeichnen, in Wahrheit eine komplexe Materialkombination ist. Diese „Flussmittel“ bestehen aus:
- Kolophonium/Harzen: als Sauerstoffbarriere und für eine gewisse Flux-Aktivität
- Rheologieadditiven: um optimale Druckeigenschaften zu erreichen, z. B. Druck nach Unterbrechungen (Response-to-Pause), gute Transfereffizienz, ausgezeichnete Beständigkeit gegen Slumping (Verlaufen), gute Klebeeigenschaften usw.
- Lösungsmitteln: zur Auflösung der anderen Materialien
- Aktivatoren: um die Haupt-Fluxwirkung auszuführen (Entfernung von Oxiden).
Abbildung. Lotpasten gehören zu den hoch-technischsten Materialien.
Moderne Lotpasten müssen über eine gute Fähigkeit als Sauerstoffbarriere verfügen. Bei den meisten Reflow-Profilen weist die Lotpaste während mehreren Minuten Temperaturen über 150 ºC auf. Während dieser Zeit wird eine Sauerstoffbarriere benötigt, um sowohl die Lotpartikel als auch die Oberflächen der Pads und Leiter zu schützen.
Ein übliches Beispiel einer unzureichenden Lotbarriere ist der Graping-Fehler oder dessen Verwandter, der Head-in-Pillow-Fehler. Falls Sie Probleme mit einem dieser Fehler haben, sollte eine Lotpaste mit besseren Sauerstoffbarriere-Eigenschaften Abhilfe schaffen.
Vor dem Reflow-Verfahren muss sich die Lotpaste gut drucken lassen, eine gute Response-to-Pause aufweisen, darf nicht strukturviskos sein, muss bei Raumtemperatur eine Beständigkeit gegen Brückenbildung/Verlaufen besitzen und gut „kleben“, um die Komponenten nach der Bestückung zu stützen. Während des Reflow-Verfahrens muss die Lotpaste nicht nur eine Sauerstoffbarriere bereitstellen, sondern außerdem gegen Brückenbildung/Verlaufen unter Wärmeeinfluss beständig sein, „Avoid the VoidTM“, sie darf keine „Head-in-Pillow“-Fehler (HID) verursachen und muss mit allen üblichen PWP-Padoberflächen zurechtkommen sowie zuverlässige Lotverbindungen bei Temperaturwechseln, Schlägen, Stößen sowie Vibrationen bereitstellen. Wow! Eine wirklich komplexe Herausforderung.
Zusammenfassend würde ich sagen, dass Lotpaste eines der hoch-technischsten Materialien der Welt ist ... und sicherlich KEIN Massenprodukt.
Danke,
Dr. Ron
Connect with Indium.
Read our latest posts!